Sonntag, 3. Oktober 2021

Internationaler Tag der älteren Menschen


Besonders in der westlichen Welt haben der Respekt und die Würdigung des Alters vielfach erstaunliche Formen angenommen.

Viele Menschen fürchten sich allein vor den äußerlichen Zeichen des Älterwerdens und der Entwicklung der vollkommen natürlichen Reifezeichen unseres menschlichen Körpers.

Die Falten im Gesicht, das weicher werden des Bindegewebes, füllen nicht nur die Kassen der Kosmetikindustrie, die für alles und jenes „Anti-Aging“ Produkte feilbieten, sondern ebenso die Praxen der Schönheitschirurg:innen, die mit ihren medizinischen Anwendungen versuchen dem Altersprozess entgegenzuwirken.

Auch die bekannten „Zipperlein“ oder die Entwicklung von unbequemen Erkrankungen gehören zu den Ängsten vor dem Älterwerden.

Es gibt eine sehr ergreifende Geschichte aus dem Leben eines weisen Mannes, der weit über 80 Jahre alt war. Er hielt die Hände seiner geliebten Frau zärtlich in seinen Händen und berührte andächtig die „Altersflecken“, die im Laufe der Jahre auf ihrem Handrücken entstanden waren, und sagte: „Jeder braune Punkt auf Deiner Haut ist ein Juwel“. Was für eine Liebeserklärung! Nicht nur an seine Frau, sondern auch in Bezug auf die Zeichen des Alterns.

Im Westen führen viele Senior:innen ein sehr abgeschiedenes Leben. Einige wohnen in Residenzen oder Pflegeheimen. Ihre Kinder und Enkel sehen sie nur selten, denn diese sind in dieser geschäftigen und schnelllebigen Welt kaum in der Lage ihre Eltern und Großeltern regelmäßig zu treffen.

Seit über einem Jahr besuchen wir nun sehr regelmäßig Senior:innen. Manche sogar täglich.

Hierbei sind schöne Freundschaften und emphatische Beziehungen entstanden. Wir haben unbeschreiblich kreative Frauen kennenlernen dürfen. Sie sind über die "mentalen Grenzen" des Alterns hinausgewachsen, genießen ihr Leben in vollen Zügen und lassen sich auf alles ein, was das Leben ihnen zu bieten hat. Eine von ihnen ist Ende 70 und tanzt jeden Morgen zur Radiomusik, um sich für den neuen Tag so richtig in Schwung zu bringen.

Wir haben viele Lebensgeschichten erfahren. Manche sehr berührend, andere erstaunlich - alle lehrreich!

Gern möchten wir Euch aus diesem Anlass von Heribert Beardi erzählen. Einem Mann von 78 Jahren, den wir im Rahmen der Live To Love-CARE Initiative in der Nachbarschaft kennengelernt haben und aus tiefem Herzen wertschätzen. Er hat uns erlaubt, einige Auszüge seines Lebens zu veröffentlichen.

Als wir mit ihm über das Älterwerden gesprochen haben, erwiderte er spontan: „ Älterwerden ist nicht schlimm - das habe ich mit 60, mit 70 und eigentlich bis zum heutigen Tage so empfunden.“

Das ist bewegend, denn Heribert Beardi hatte sich mit Mitte 60 das Rückgrat gebrochen, mehr als ein Jahr mit schweren Symptomen zu kämpfen und erst vor einigen Wochen sogar einen Schlaganfall erlitten - und kann sich jetzt nur noch im Rollstuhl oder mit dem Rollator fortbewegen.

Er sei dankbar und froh, immer noch so viele Sachen allein erledigen zu können, wie zum Beispiel bei Behörden anzurufen oder „Schriftkram“ zu erledigen: „Wissen Sie, mit dem Alter wird man bescheiden und zufrieden, nicht mehr so süchtig nach allem, was man sich vielleicht noch kaufen könnte. Je älter ich geworden bin, umso zufriedener wurde ich, bin bei mir ganz angekommen und fühle mich frei.“

Er habe ein wunderschönes Leben gehabt, erzählt Herr Beardi. Aufgewachsen in den Nachkriegsjahren – als die Häuser wieder aufgebaut wurden. „Eine tolle Zeit, wo soviel Neues entstand.“ Als kleiner Junge sei er in den Trümmern herumgekrabbelt, habe Schrott gesammelt, dieses zum Händler gebracht, dafür Geld bekommen und Süßigkeiten gekauft.

Heribert Beardi besuchte „nur die Volksschule“ – und das habe damals auch gereicht, um einen Beruf auszuüben und genügend Geld zu verdienen. Anders als heute: „Für Jugendliche heutzutage muss diese Zeit sehr anstrengend sein - dieser Leistungsdruck, dieser Stress, um Geld zu verdienen. Man lernt die Freundin und Freunde über den Computer kennen. Ich frage mich, wo denn das Persönliche, das Menschliche bleibt - es ist so kalt geworden...“

Er arbeitete als Kaufmann im Handel mit Obst und Gemüse und hatte eine Wäscherei in Nordrhein-Westfalen - zweimal war er verheiratet und jedesmal sehr glücklich. Die Frührente sei ihm zu langweilig gewesen, deshalb habe er mit Anfang 60 einen Nebenjob als Nachtportier in einem Hotel angenommen: Dreimal in der Woche – von 23 bis 7 Uhr morgens – genoss er seine Aufgaben und liebte es für die Gäste da zu sein und früh morgens, vor Dienstschluss, die Frühstückstische zu decken: "Da hatte man das Gefühl, man kann sich noch nützlich machen.“

Jedes Mal, wenn wir ihm begegnen, sind wir bewegt von seiner Lebensfreude, seiner Dankbarkeit, seinem Optimismus und der Motivation, immer das Beste aus jeder Situation zu machen.

Heribert Beardi - ein Mann mit einem großen Herzen, dem wir jeden Tag alles Gute wünschen und uns auf viele weitere Begegnungen mit ihm freuen!

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